KünstlerInnen: Adidal Abou-Chamat/SY/DE, Alfred Bachlehner/AT, Franz Bergmüller/AT, Peter Dressler/AT, Manuel Gorkiewicz/AT, Birgit Graschopf/AT, Robert F. Hammerstiel/AT, Saskia Noll/CH/AT, Hanns Otte/AT, Michael Pisk/AT, Martin Praska/AT, Michael Sardelic/AT, Klaus Staeck/DE, Patricia Waller/DE, Sebastian Weissenbacher/AT, Jana Wisniewski/AT, Ursula Zeidle/DE
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Seit den Stillleben des 16. Jahrhunderts über die Eat Art der 1960er Jahre bis heute ist die Darstelllung von Ess-und Trinkbarem immer wieder beliebtes Motiv in der Kunst.. Diese kunsthistorische Tatsache, aber auch mein Leben in einer Stadt wie Wien, die dem Kulinarischen in allen Facetten im wahrsten Sinne huldigt, hat mich dazu bewogen, dieses Thema zu wählen und die Ausstellung mit einigen Wiener Künstlern und Künstlerinnen zu besetzen, die im übrigen zum großen Teil sehr gute und leidenschaftliche Köche sind. Natürlich sind auch Deutsche mit einigen Kostproben wie einem gehäkelten Backhuhn vertreten... Die künstlerische Auseinandersetzung mit Essen und Trinken hat – parallel zur gesellschaftlichen Entwicklung – eine große Wandlung erfahren. Der Anlass, Kulinarisches in der Kunst zum Thema zu nehmen, ist aber ähnlich geblieben: nirgendwo sonst werden seelische und soziale Befindlichkeiten so elementar erlebt wie bei den Dingen, die wir essen. Essen ist von existenzieller Bedeutung für den Menschen; zudem sagt die Nahrung viel aus über kulturelle, wirtschaftliche, politische, soziale, religiöse und nationale Weltanschauungen, sie spiegelt die Lebensweisen und Verhältnisse von Menschen wider. Mit keinem anderen Thema sind so viele Genüsse und gleichzeitig Tabus verbunden. Es ist ein grundlegendes Thema der Menschheit und ein inhaltlich weitgespanntes Feld für die zeitgenössische Kunst. Die 17 Künstler und Künstlerinnen setzen sich – häufig in Form von surrealen Szenarien bzw. ironischen Inszenierungen – mit Phänomenen unserer heutigen Gesellschaft wie Fast Food, Schlankheitskult, Schlemmerei, Konsumverhalten, Werbemechanismen etc. auseinander, sie beschäftigen sich mit unseren Sehnsüchten und Begehrlichkeiten, die sich im alltäglichen Ess- und Einkaufsverhalten spiegeln. Und sie sprechen über das Thema „Essen“ ganz allgemein Themen der Kunst wie Wahrnehmung, Realität/Imitat, Materialität, Ästhetik etc. an. Der Titel “Tafelbilder” soll in erster Linie humorvoll auf das Inhaltliche verweisen, denn es sind nicht Tafelbilder im klassischen Sinn, also Gemälde auf festem Untergrund, ausgestellt, sondern Kunstwerke aller Medien – neben Malerei auch Grafik, Objekt, Video, Fotografie, Installation (wie die gedeckten Tische) sowie Arbeiten aus essbarem Material wie die allerdings ungenießbaren Schokoladenskulpturen von Manuel Gorkiewicz oder die Geschichte vom “Süssen Brei” aus Gebäck von Jana Wisniewski. Selbstbewusst und genüsslich verspeisen in dem Video „Sweet Barbie“ von Adidal Abou-Chamat vier Frauen eine in Figur-feindlicher Schokolade gegossene Barbiepuppe und zerstören damit das Symbol für figürliche Perfektion. Die sehr komplexe Arbeit spricht auch auf ironische Weise Rassen-Probleme an: nicht nur eine weiße Frau isst eine dunkle Barbie, sondern auch eine dunkelhäutige Frau macht sich über eine weiße Variante her ... Gesellschaftskritisch, aber auf viel direktere Art sind die Plakate von Klaus Staeck. Die hier gezeigten Beispiele üben Kritik an heutigem Konsumverhalten und Esskultur, die von Fast Food, Vergiftung der Umwelt und Genmanipulation geprägt ist. – Unser Essverhalten ist auch das Thema von Birgit Graschopf: ihre fotografischen Arbeiten zeigen auf sehr subtile Weise speisende und einkaufende Menschen, die Rückschlüsse zulassen auf kulturelle, soziale und finanzielle Verhältnisse. Ihr Film „Essen“ (Beamer) zeigt 6 Menschen, die von Werkzeugen gefüttert werden. Die Arbeit spricht von dem Bedeutungsverlust von gemeinsamem Essen und von der Eintönigkeit des „globalen“ Essens aus Massenproduktion. – Auch die Fotoserie „Mittagstische“ von Robert F. Hammerstiel sagt viel aus über die sozialen und psychischen Verhältnisse der im Bild nicht anwesenden Konsumenten. – Eine Serie des Künstlers Alfred Bachlehner besteht aus gemalten Stills von Szenen aus Kinofilmen, die über das Thema „Essen“ gesellschaftliche, kulturelle und soziale Strukturen verschiedener Zeiten reflektieren. Diese kleinen Gemälde sind als „kulinarische“ Leckerbissen „eingeweckt“ in Einmachgläsern. Ursula Zeidler zeigt eine zweiteilige SW-Fotoarbeit, auf der ein Spanferkel vor und nach dem Zugriff einer - wohlgemerkt kirchlichen - Festgesellschaft zu sehen ist. So wüst wie das Spanferkel nach dem Essen aussieht, zeigt es, wie nah beieinander Genuss und Grauen liegen und wie der Mensch zum Wolf werden kann, wenn es um Essen, ein existenzielles Bedürfnis, geht. Michael Sardelic beschäftigt sich in seiner Serie „Spino-Ataxie“ mit dem Thema Nahrungsaufnahme bzw. -verweigerung und -beschränkung durch Krankheit. Die Krankheit „Spino-Ataxie“ führt, bedingt durch Störungen im Zentralen Nervensystem, in Schüben zu fortschreitenden Verlusten von Körperfunktionen, wie u.a. essen. In der Ausstellung sind einige Arbeiten vertreten, die sich einerseits mit Wahrnehmung bzw. Täuschung, andererseits mit Begehren auseinandersetzen. Dazu gehört die Stillleben-Fotoserie „Made by Nature-Made in China“, mit der Robert F. Hammerstiel einerseits die opulenten Stillleben-Szenarien der Kunstgeschichte zitiert, aber in Wirklichkeit täuschend echt wirkende Plastik-Lebensmitteln inszeniert hat. In einer Welt voller Täuschungen und Kulissen vermögen wir uns nur noch schwer zu orientieren. Dies ist ein Thema, das auch Manuel Gorkiewicz interessiert. Seine Schokoladenobjekte sind ästhetisch überhöht, aber auf Grund der materiellen Beschaffenheit ist ihnen die Auflösung inhärent. Mit diesem Täuschungsmanöver, dem Wecken unerfüllbaren Begehrens, wird die Widersprüchlichkeit von Kunst und Wahrnehmung thematisiert. Auch Patricia Waller arbeitet mit den Mitteln der Täuschung. Appetitlich richtet sie verschiedene Speisen an, die aber in Wirklichkeit ungenießbar sind, da es sich um Häkelarbeiten – Symbol für Spießbürgerlichkeit – handelt. Patricia Waller operiert mit den Mitteln der Verführung und Verharmlosung, um den Blick auf die Dinge neu zu lenken. In der Fotoserie „Eher seltene Rezepte“ inszeniert sich Peter Dressler als Koch. Er präsentiert aber keine Speisen, sondern verschiedene Objekte aus seinem privaten Umfeld, mit denen er auf humorvolle Weise seine persönliche Weltsicht offenbart. Der Akt des Kochens dient als Metapher für das künstlerische Tun, der Koch ist der Künstler, denn für beide sind Einfallsreichtum und Kreativität wichtige „Ingredenzien“. Wenig appetitanregend sind auch Jana Wisniewiskis Rezepte. Die von ihr angerichteten Speisen aus nicht essbaren Materialien beziehen sich auf mehr oder weniger brauchbare Rezepte von Freundinnen in allen Lebenslagen. Widrige Lebensumstände werden durch „verrückte“ Rezepte relativiert. Michael Pisks fotografischem Bildzyklus „Malerei der Speisen“ geht es um Kunstprobleme, speziell um Malerei: er fotografiert die verschiedenen Zustände beim Braten von Fleischgerichten. Vom rohen bis zum fertigen Zustand gibt es, bedingt durch den fortschreitenden Brat- bzw. Kochprozess, aber auch durch die Hinzufügung der Zutaten immer neue farbliche und materielle Varianten. Wenn sich Stillleben in dieser Ausstelllung befinden, dann sind es nicht die klassischen, wie wir bereits bei Robert F. Hammerstiel gesehen haben. Ungewöhnlich sind auch die Stillleben von Franz Bergmüller, der in seinen beweglichen Fotoobjekten den „stillen“ Dingen ein dynamisches Eigenleben verleiht. Bei diesen Stillleben handelt es sich nicht um schöne Inszenierungen, sondern um unaufgeräumte Situationen, um Überbleibsel der letzten Mahlzeit, des Umtrunks vom Vorabend oder der durchgearbeiteten Nacht. – Alfred Bachlehners Stillleben von Fischen, Früchten, Nudeln etc., heben sich auf Grund ihrer Ausschnitthaftigkeit und Vergrößerung bzw. die dadurch bewirkte Verfremdung von klassischen Kompositionen ab. Zum anderen hat er religiös besetzte Speisen wie Brot, Wein und Lamm ganz alltäglich dargestellt und mit religiösen Figürchen kombiniert. Durch diese Profanisierung ergibt sich eine Bedeutungsverschiebung, die ganz weltliche Fragestellungen aufwirft. – Die Stillleben-Fotoserie „Changing the dimensions“ von Saskia Noll ist eine Auseinandersetzung mit Zwei- und Dreidimensionaliät. Ausgangspunkt waren Fotografien von Essens-Stillleben, die sie zerschnitten, gefaltet und mit Papier und Objekten kombiniert hat. Die daraus entstandenen dreidimensionalen Foto-Objekte wurden wieder fotografiert und somit in die Zweidimensionalität zurückgebracht. Hanns Ottes Diaserie vom Wiener Naschmarkt ist ungewöhnlich im Werk des Künstlers, der sonst vor allem urbane Randzonen fotografiert. Hier sind in erster Linie stilllebenhafte Früchte- und Gemüsearrangements zu sehen. Und dennoch stehen nicht vordergründig Ästhetik, Opulenz und schöne Präsentation im Vordergrund, sondern die unspektakulären Motive, häufig angeschnitten oder an den Rand des Bildes gedrängt. Von Pop Art und Comic inspiriert sind die Bilder von Sebastian Weissenbacher, eine scheinbar harmlose Welt mit künstlich kreierten, meist „niedlichen“ Wesen in lieblich-naiver oder bewusst pathetischer Kulisse und knallbunter Farbigkeit. Diese phantastischen Inszenierungen verweisen auf soziale Missstände und menschliche Schwächen. Die hier ausgestellten Bilder thematisieren über das Thema Essen schlechte Eigenschaften wie Habgier, Neid, Zorn, Grausamkeit und Gier thematsieren. Auch Martin Praska bedient sich in seinen in Hochglanz-Ästhetik angelegten Bildern der Welt der Trivialkultur, die er mit Dingen des alltäglichen Leben, mit Zitaten aus der Kunstgeschichte sowie mit Darstellungen von Frauen kombiniert. So gibt es auch Zitate von Essen in seinen Bildern, z. B. Würstchen, die als „Herbstlaub“ vom Himmel fallen, als „frutti di mare“ eine Frau vor einer Meereslandschaft wie eine Klammer umgreifen..., surreale Szenerien, die die scheinbar heile, durchschaubare Welt brechen.
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